Whole-Cell Simulation
Date: 2013-09-13
In zwei Wochen nehme ich auf einem "Symposium Künstliches Leben" an einem Workshop über synthetische Biologie teil. Das ist zwar eigentlich kein Gebiet für das ich bisher wahnsinniges Interesse gezeigt habe, aber finde ich dennoch interessant. Für diesen Workshop soll ich mich auf spezielles Thema, nämlich "Whole-Cell Simulation" vorbereiten. Deswegen habe ich mich etwas in das Thema eingelesen, um zu erfahren wozu das überhaupt gut und sinnvoll ist, und was die Biologen/Mediziner sich davon versprechen.
Wie der Name schon sagt geht es bei Whole-Cell Simulation darum, eine ganze lebende Zelle zu simulieren, samt aller beinhaltetend Stoffwechselwege und Regelkreisläufe. Die Simulation einer ganze Zelle ist ein Schritt weiter in der Entwicklung "In Vivo", am lebenden Organismus; "In Vitro", in Reagenzglas; und jetzt eben "In Silico", nur noch als Simulation im Rechner. Der Begriff "In Silico" ist zum ersten mal, laut der englischen Wikipedia, in einem Workshop Ende der 80er Jahre aufgetaucht.
Zunächst muss man sich klarmachen, welche Mechanismen grundsätzlich in so einer Zelle von statten gehen. Dabei handelt es sich um Umwandlungspfade von einem oder mehreren Stoffen in einen oder mehrere anderen Stoffen. Ein prominentes solches Beispiel unseren eignenen Zellen ist die Glykolyse. Bei der Glykolyse wird in mehreren Zwischenschritten aus Einfachzuckern ATP hergestellt, das der primäre Energieträger in unseren Zellen ist und für viele andere Prozesse und Pfade gebraucht wird. Nun laufen diese chemischen Prozesse nicht so schlagartig ab, wie man sich das meistens vorstellt. Es braucht Zeit, die richtige Temperatur, die Anwesenheit von Katalysatoren kann alles ändern, und selbst dann stellt sich häufig ein irgendwie geartetes gleichgewicht zwischen den Eingangs- und den Ausgangsstoffen ein.
Ein ganz anderer interessanter Mechanismus ist die Proteinsynthese. Dabei wird zunächst aus einem aktiven Gen in der DNA eine Messenger-RNA durch die RNA-Polymerase transkribiert. Hierbei wird tatsächlich nur ein Teil der DNA herauskopiert und in ein anderes Format gebracht. Man kann es, denke ich, wie das Laden eines Programms in den Hauptspeicher sehen. Diese mRNA kann dann den Zellkern verlassen, was die DNA nicht kann, und wird dann an den Ribosomen (molekulare Komplexe die in der Zelle an mehreren Stellen da sind) zu Proteinen umgebaut. Der Mechanismus ist an der Stelle ganz interessant. Proteine sind ja Verbindungen aus mehreren Aminosäuren. In der mRNA werden aus immer drei Basentriplets (ein Codon) eine Aminosäure. Da es vier Basen gibt kann jedes Triplet 3^4 = 64 verschiedene Zustände haben. Allerdings gibt es nicht zu jedem Zustand ein Basentriplett, sondern auch so Dinge wie Stoppcodes bzw. Doppelbelegungen. Man kann sich also die Translation an den Ribosomen wie das assemblieren eines Assemblerprogramms vorstellen. Es entsteht dabei eigentlich keine Herabsetzung des Abstraktionsniveaus. So, was ist hierbei noch interessant für die Whole-Cell Simulation? Ob ein Gen aktiv oder nicht aktiv ist, also ob es zu mRNA transskribiert wird, kann von verschiedensten Faktoren abhängen. Zum Beispiel auch von der Konzentration der erzeugten Proteine. Und voila wir haben einen 1a Regelkreis, den man mit einer Differentialgleichung darstellen kann.
Was dann noch viel mit in diese Art der Simulationen mit reinspielt, sind stochastische Prozesse, ob überhaupt eine Reaktion stattfindet, und inwieweit die Innercelluären Strukturen, die doch einen ganz schön grossen Teil der Zelle ausfüllen, Reaktionen behindern.
Aber was verspricht man sich konkret von der Simulation einer ganzen Zelle? Zunächst ist klar, wenn die Simulation und das Model der jeweiligen Zelle gut genug ist, kann man damit prima vorhersagen machen, wie sich die Zelle verhalten wird, wenn man an irgendwelchen Rahmenbedingungen spielt. Dies ist auf der einen Seite für die Forschung interessant, weil man damit vielleicht finden kann wie bestimmte Mechanismen funktionieren (wenn die Simulation von der Realität noch abweicht), aber es sollen auch die Wirkungen von Medikamenten simuliert werden. Bisher ist das Vorgehen bei Medikamenten so, dass man sich eine genügend grosse Gruppe von Menschen nimmt, die man mit dem Wirkstoff füttert und schaut, wie sich die Wirkung zeigt. Man geht also Statistisch vor.
Allerdings ist das bei so Krankheiten wie Krebs, was ganz kurz erklärt ein genetischer Defekt in einer Zelle ist, die dazu führt, dass die Zelle nicht mehr stirbt und/oder sich furchtbar schnell teilt. Es sind bis jetzt über hundert Gene bekannt, die die Mechanismen Zellteilung und Zelltod beeinflussen. Zu der Unübersichtlichkeit kommt noch dazu, dass Gene sich nicht monoton verhalten. Also nehme man an, dass es zwei Gene gibt A und B. Ist in einem Menschen Gen A oder Gen B aktiv, dann wirkt das Medikament besonders gut. Allerdings bedeutet dies nicht, dass wenn A und B gleichzeitig an ist, das Medikament besonders gut wirkt. Der Gen-Wirkungs-Einfluss addiert sich nicht, Gene verhalten sich nicht monoton. Unangenehme Sache.
Ein generisches Zellmodell dagegen könnte man mit Teilen des Erbguts des speziellen Patienten füttern (Hier ist wichtig anzumerken, dass DNA Sequenzierung (DNA Pampe -> Textfile) inzwischen ein schneller und relativ billiger Prozess ist, Stichwort Hochdurchsatzverfahren) und dann den Einfluss des Medikaments simulieren. Braucht allerdings alles noch einiges an Rechenzeit. In dem einen Papier haben sie eine E. Coli Bakterie auf GPUs simuliert, und gemeint sie hätten für 1 Stunde Echtzeit, 200 Stunden GPU Zeit verbraten, auf so mehreren Nvidia Teslas.
Und hier noch ein paar weiterführende Links: